Zum Schulbeginn in der kommenden Woche hat die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag die Arbeit von Kultusminister Alexander Lorz (CDU) scharf kritisiert. Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Christoph Degen, warf dem Minister heute vor, sich vor den bereits bestehenden Problemen wegzuducken und die Herausforderungen von morgen zu ignorieren. Lorz betreibe zunehmend eine umfassende Arbeitsverweigerung, die die Leistungsfähigkeit des hessischen Schulsystems gefährde.
Degen sagte: „Unter Herrn Lorz hat das Ministerium eine gewisse Meisterschaft darin entwickelt, Aufgaben und Verantwortlichkeiten an die Schulen oder die Schulträger zu delegieren und sie dann mit diesen Aufgaben und Verantwortlichkeiten allein zu lassen. Wesentliche Daten und Fakten, die Auskunft geben könnten über die schulische Wirklichkeit in Hessen, kennt im Hause Lorz angeblich niemand. Und – schlimmer noch – es will sie offenbar auch niemand kennen, am allerwenigsten der Minister. Das Desinteresse von Herrn Lorz an den tatsächlichen Zuständen in Hessens Schulen ist erschreckend.“
Degen verwies darauf, dass zahlreiche parlamentarische Anfragen seiner Fraktion vom Kultusministerium nicht oder nur unzureichend beantwortet werden konnten. „Ob zum Lehrermangel, zur Zahl der ausgefallenen Unterrichtsstunden, zum Krankenstand bei den Lehrerinnen und Lehrern, zur Qualifikation der Lehrkräfte – das Ministerium kann oder will keine belastbaren Fakten liefern. Stattdessen ergeht sich Minister Lorz in einer süßlichen Erfolgsrhetorik, um Misserfolge und Nichtstun zu überdecken“, kritisierte Christoph Degen. Nicht einmal die Frage, welche unterschiedlichen Schreiblernmethoden in den hessischen Grundschulen angewandt werden, konnte das Ministerium beantworten, weil es dazu angeblich keine Berichtspflicht der Schulen gebe.
Auch über die Ergebnisse einer Untersuchung zur psychischen Gefährdung von Lehrkräften im Schulalltag konnte oder wollte der Minister keine Auskunft geben. Stattdessen, so Degen, habe Lorz die Fragesteller aus dem Landtag mit dem lapidaren Hinweis abgespeist, eine Einzelauswertung für das Jahr 2018 sei nun einmal nicht vorgenommen worden, sie nachzuholen sei für das Ministerium zu aufwändig.
Selbst bei der Frage nach der tatsächlichen Qualifikation von rund 450 Förderschullehrkräften in Hessen, die ohne abgeschlossenes Lehramtsstudium unterrichten, sei der Minister nicht auskunftsfähig gewesen: Um die gewünschten Informationen zu recherchieren, hätte man angeblich alle Personalakten von Hand auswerten müssen. Und dieser Aufwand sei nach Auffassung des Ministers einer parlamentarischen Anfrage nicht angemessen, berichtete der SPD-Bildungsexperte.
„Was ist von einem Kultusminister zu halten, der so gar nicht wissen will, was in seinem Zuständigkeitsbereich passiert? Dem Zahlen, Daten und Fakten zu wesentlichen Handlungsfeldern egal sind? Der sich weder für die Qualifikation noch die Gesundheit der ihm unterstellten Lehrkräfte interessiert und auch nicht für die Bildungsmethoden und deren Ergebnisse in den ihm anvertrauten Schulen?“, fragte Degen, der betonte, dass entsprechende Informationen in anderen Bundesländern – beispielsweise in Rheinland-Pfalz – selbstverständlich vom Ministerium bei den Schulen und Schulämtern abgefragt, aufbereitet und dem Parlament mitgeteilt würden.
Erschütternd sei auch das Versagen von Kultusminister Lorz bei der Digitalisierung der hessischen Schulen: Nach vollmundigen Ankündigung zu Beginn des Jahres sei das einzige konkrete Digitalisierungsergebnis bislang – die Einrichtung eines Praxisbeirats. „Ich respektiere ja, dass man sich Expertenrat holt, wenn man selber keinen Plan hat – aber eine Gruppe von ‚talking heads‘ ersetzt doch nicht die digitale Reform unserer Schulen in der Praxis. Irgendwelche Ideen, wie die Digitalisierung mit inhaltlichen und methodischen Neuerungen für Lehrer und Schüler verknüpft werden kann, sucht man allerdings vergebens. Das Ministerium beschränkt sich darauf, den Schulträgern dabei zuzusehen, wie sie das Geld aus dem ‚Digitalpakt Schule‘ für Breitbandanschlüsse und Whiteboards ausgeben“, bemängelte Christoph Degen.
Unverändert kritikwürdig sei auch die Weigerung der Landesregierung, die Zahl der echten Ganztagsschulen spürbar zu erhöhen. „Ab 2025 haben Grundschüler einen gesetzlichen Anspruch auf den Besuch einer Ganztagsschule. Aber statt sich gemeinsam mit den Schulträgern darauf vorzubereiten, erklärt sich das Ministerium für nicht zuständig – sollen die Kommunen doch selber sehen, wie sie zurechtkommen. Das ist pflichtvergessen, unsolidarisch und wird der Verantwortung des Ministeriums und des Ministers nicht gerecht“, stellte Christoph Degen fest.