Verleihung des Olymp-de-Gauges-Preises der AsF

Sehr geehrte Frau Georg-Pathe,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

bereits zum 13. Mal verleiht die ASF im Bezirk Hessen Süd den Frankfurter Olympe de Gouges Preis an herausragende Persönlichkeiten unseres gesellschaftlichen Lebens. Ich danke Ihnen für die Einladung zu dieser Feierstunde. Ich habe die große Freude und Ehre, einige Ausführungen zur diesjährigen Preisträgerin machen zu dürfen.

Olympe de Gouge, nach der der Preis benannt ist, war eine Revolutionärin, Frauenrechtlerin und Schriftstellerin im Zeitalter der Aufklärung im 18. Jahrhundert.

Sie verfasste 1791 die „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ und stellte u.a. die Frage: „Sage mir, wer hat Dir die selbstherrliche Macht verliehen, mein Geschlecht zu unterdrücken?“

Olympe de Gouges starb für ihr hartnäckiges Eintreten für die Rechte der Frauen während der Französischen Revolution unter der Guillotine.

Was verbindet Olympe de Gourges mit unserer heutigen Preisträgerin Ortrud Georg-Pathe?

Meine Damen und Herren, ich will mich davor hüten, heikle und mit der Französischen Revolution nicht vergleichbare Zusammenhänge herzustellen. Aber in das Bild der unermüdlichen und hartnäckigen Frauenrechtlerin passt durchaus der engagierte, selbstlose, nie verzagende Einsatz für menschenwürdige Unterbringung, Behandlung und Betreuung von inhaftierten Frauen und ihren Kindern in der JVA Frankfurt am Main lll in Preungesheim und damit Ihr dortiges Wirken, liebe Frau Georg-Pathe.

Als Vorsitzende reihen Sie sich nahtlos in die Reihe ihrer Vorgängerinnen im Amt der Vorsitzenden des Mutter-Kind-Heim-Vereins, Helga Matheißen (2005 bis 2010) und natürlich Jutta Frost, die seit 1974 30 Jahre lang Vorsitzende war, ein. Es freut mich sehr, dass es Ihnen wieder gesundheitlich besser geht und dass Sie diese Auszeichnung heute entgegennehmen können.

Liebe Frau Georg-Pathe, Sie sind seit vielen Jahren ehrenamtlich, seit 2010 zudem als Vorsitzende, für den Verein „Mutter-Kind-Heim“ aktiv.

Dieser Verein steht nach wie vor, fest in der Tradition der unvergessenen Helga Einsele, die seit 1974 als Leiterin der Frauenanstalt in Preungesheim kämpferische und streitbare Vordenkerin für einen an humanistischen Grundsätzen ausgerichteten Frauenvollzug war.

So ist auf der Homepage ihres Vereines zu lesen:

„Hauptanliegen des Vereins ist es, in der Öffentlichkeit für einen Strafvollzug der positiven Zuwendung zu werben.“

Mancher Zuhörer wird bei diesen Worten stutzen:

„Strafvollzug der positiven Zuwendung“?

Strafvollzug bedeutet doch eigentlich einsperren, wegsperren, die volle Härte des Gesetzes, Vergeltung?! So hört man dies oft in der Bevölkerung.

Sie, liebe Frau Georg-Pathe, haben mit Ihrem Verein einen ganz anderen Blick auf die inhaftierten Frauen mit Kindern ermöglicht.

Sie wenden sich ganz den Frauen mit ihren schwierigen Biographien, ihrem Scheitern, ihrem Leiden und ihren Sorgen zu.
Sie tun dies stets zugewandt, nicht verurteilend, sondern verstehend und helfend.

Sie tun dies, obwohl viele dieser Frauen selbst anderen großes Leid zugefügt haben und sich schuldig gemacht haben.

Liebe Frau Georg-Pathe, Ihr Engagement und der Stellenwert, den der Verein mit seiner Arbeit und Sie ganz persönlich weit über die Grenzen der Frauenanstalt und des Justizvollzugs hinaus genießen, hat mit viel mit Ihrer eigenen Persönlichkeit und Biographie zu tun:

Sie wurden 1951 in Frankfurt am Man geboren, haben nach dem Abitur auf Lehramt studiert und haben diesen Beruf auch lange ausgeübt.

Ich habe mit großem Interesse gelesen, dass Sie sogar als Kinderbuchkritikerin tätig waren!

Es folgten längere Studienreisen nach Mexico, Indien und Israel, die ihren persönlichen Horizont gewiss sehr bereichert haben.

Danach folgte die Geburt Ihrer vier Kinder.

Liebe Frau Georg-Pathe, Sie sind eine beeindruckende Persönlichkeit, die sich trotz persönlicher, schwerster Schicksalsschläge gerade in verschiedenen Funktionen, gerade im Mutter-Kind-Heim, für andere bis zum heutigen Tage einsetzt und engagiert.

Sie haben ein Herz für Kinder, deshalb liegt auf der Betreuung, Erziehung und Bildung der Kinder im Mutter-Kind-Heim ein besonderes Augenmerk von Ihnen.

Für dieses herausragende Engagement haben Sie bereits 2013 den Landesehrenbrief erhalten.

Meine Damen und Herren,

lassen Sie mich an dieser Stelle etwas näher auf die Arbeit des Mutter-Kind-Heimes eingehen:

Als in der Frauenanstalt unter Helga Einsele und dem damaligen Verein „Kinderheim Preungesheim e.V.“ in den 70iger Jahren neue Wege gesucht und aufgezeigt wurden, um die Trennung zwischen inhaftierten Frauen und ihren Kindern zu vermeiden, war dies in Deutschland „ein Novum und ein Paradigmenwechsel“.

Erst 1977 trat das Bundesstrafvollzugsgesetz in Kraft. Die spezifischen Bedingungen der Strafhaft von Frauen, die Situation ihrer Kinder, standen nicht im Mittelpunkt vollzuglicher Betrachtungen. Es gab zwar Regelungen für den Frauenvollzug, man konnte sich aber des Eindrucks erwehren, dass das Strafvollzugsgesetz eigentlich nur für Männer gemacht war.

Wissenschaftliche Untersuchungen über die Folgen und Entwicklungsbeeinträchtigungen einer frühkindlichen Trennung des Kindes von seiner Mutter führten zum Umdenken!

Wir wissen heute, dass für viele inhaftierte Frauen die Kinder selbst ein stabilisierender Faktor sind. Die Hessische Landesregierung war gut beraten, auf der Grundlage der humanistischen Ideen des Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts verstorbenen früheren Hessischen Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer neue Wege zu gehen. 1969 wurde der Verein „Kinderheim Preungesheim“ mit Unterstützung der Politik gegründet. 1975 (also vor 40 Jahren und schon zwei Jahre vor dem Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes!) konnte das Mutter-Kind-Heim eröffnet werden.

Meine Damen und Herren,

die Frauenanstalt und in ihr das Mutter-Kind-Heim haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine dynamische Entwicklung erlebt:

Der gesamte Frauenstrafvollzug wurde in besonderer Weise sozialtherapeutisch ausgerichtet, was sich –eigentlich viel zu spät- auch in der Bauweise der JVA zeigte.

Ich verweise- um nur weniges zu nennen- auf die besonderen Ausbildungsberufe in diesem Bereich, auf die frauenspezifische Konzeption des Sportangebots –nicht zuletzt- und ganz besonders auf die Anlaufstelle für strafentlassenene Frauen, die von der AWO getragen wird, mit der ihr Verein eng zusammenarbeitet.

Im Mutter-Kind-Heim selbst wurde die „Stillphase“ so großzügig ausgelegt, dass Mütter mit ihren neugeborenen Kindern mindestens ein Jahr im Anstaltskrankenhaus bleiben konnten.

Das Mutter-Kind-Heim konnte in die Gesamtanstalt integriert werden. Damit konnten u.a. organisatorische Schwierigkeiten beseitigt werden.

1988 wurde die Gefängnismauer so umgelegt, dass das offene Mutter-Kind-Heim außerhalb des gesicherten Anstaltsgeländes liegt.

Bereits als provisorische Einrichtung unterstand das Haus der Heimaufsicht des Landes Hessens. Damit wurde das Kindeswohl bereits von Beginn an überwacht und die Aufnahme jeden Kindes überprüft.

Gerade das Wohlergehen der Kinder war und ist für Sie, Frau Georg-Pathe, ein zentrales Anliegen.

Als Mutter und ausgebildete Lehrerin, die neben ihrer Tätigkeit im Mutter-Kind-Heim Vorstandsmitglied im Kinderschutzbund war, wissen Sie genau, wie wichtig es ist, gerade in prekären Situationen, wo z.B. die eigene Mutter inhaftiert ist, den Kindern Halt zu geben. Dazu zählt auch das Herstellen von „Normalität“, so weit es geht.

Eine aktuelle US-Studie zeigt, dass (wie man vermuten konnte) Kinder Inhaftierter erheblich unter der Haft eines bzw. der Eltern leiden. Auch eine kleine Anfrage meiner Fraktion hat ergeben, dass diesem Thema viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss.

Für ihre Arbeit ist es von Anfang an wichtig gewesen, wissenschaftlich begleitet zu werden, um auch fachlich immer auf der Höhe der Zeit zu sein, denn das Mutter-Kind-Heim war auch in der Fachwelt nicht unumstritten.

In unserem Rechtsstaat stellte der Freiheitsentzug trotz aller menschwürdigen Gestaltung einen gravierenden Grundrechtsbegriff dar.

Deshalb wurde zu recht schon von Beginn an darauf geachtet, dass die Kinder von den Haftbedingungen so gut wie möglich nicht beeinträchtig werden und „reale Bedingungen „ wie draußen in Freiheit „nachgebildet werden.“

Sehr geehrte, liebe Frau Georg-Pathe, für Ihr herausragendes Engagement im Verein „Mutter-Kind-Heim Preungesheim .V.“ dürfen wir Ihnen heute den Olympe de Gouges Ehrenpreis verleihen.

Ich bin der tiefen Überzeugung, dass Sie diese wunderbare ehrenamtliche Arbeit noch viele Jahre leisten können und schließe mit den Worten Gustav Radbruchs, der gesagt hat:

„Anzustreben ist nicht ein besserer, sondern etwas, was besser ist als der Strafvollzug.“

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!