zur Regierungserklärung der Justizministerin Kühne-Hörmann

Es gilt das gesprochene Wort!

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

Prävention ist der beste Opferschutz!
Es ist am besten, Kriminalität erst gar nicht entstehen zu lassen. Dabei ist Kriminalprävention eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die unser aller Anstrengung bedarf.

„Prävention rechnet sich“: Der wirtschaftliche Schaden, der durch Kriminalität herbei geführt wird, wird in Deutschland jedes Jahr auf mindestens 6 Milliarden Euro beziffert.

Frau Justizministerin Kühne-Hörmann,

Sie sagen „Im Bereich der Prävention machen wir schon viel und wir haben viele Ideen.“
Sie sagen „Das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger ist wichtig und muss sehr ernst genommen werden.“

Ich sage Ihnen eines: Das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger hat in den letzten Jahren nicht zugenommen, sondern abgenommen!

Der Bürger spürt sehr wohl, dass die allgemeine Bedrohungslage durch internationalen Terrorismus und Extremismus, die organisierte Kriminalität zugenommen hat!

In dieser Zeit ist es diese Landesregierung, die weiterhin Stellen abbaut. Aktuell sind es alleine bei der Polizei 147,5 Stellen, die nicht mehr besetzt werden.

Bei der Polizei fehlen Stellen im Vollzugs-, Fach- und Verwaltungsbereich. Vor allem fehlt die Polizei in der Fläche! Viele Polizeibeamte können schon lange „Dank“ Personalmangel nicht mehr die Präsenz vor Ort zeigen, die erforderlich wäre!

Dazu kommt noch, dass viele kriminalpolizeiliche Herausforderungen wie Internetkriminalität, Staatsschutz, Gewaltphänomene etc. die Situation weiter verschärfen.

Durch Ihre Fiskalpolitik auf dem Rücken der Beamten, die Sie neben dem Stellenabbau immer wieder neu zu „Sonderopfern“ heranziehen, (Nullrunde, Beihilfekürzung, 42-Stunden-Woche, mangelnde Aufstiegs-möglichkeiten) sind viele Polizeibeamte völlig überlastet und leider oft auch frustriert, obwohl sie angesichts dieser Rahmenbedingungen eine sehr gute Arbeit leisten.

Und da reden Sie von einer guten Prävention?

In der Justiz wurden seit 2003 zunächst 800 Stellen abgebaut, weitere 360 folgen. Ein Ende dieses Stellenabbaus ist nicht absehbar!
Gerade Staats-und Amtsanwaltschaften „ächzen“ unter der Aktenflut und haben nach den sog. PEBB§Y-Zahlen eine Belastung von über 140%. Obwohl Staats-und Amtsanwälte in Hessen emsig arbeiten, werden viele Verfahren eingestellt, können nicht ausermittelt werden, wird der sog. Täter-Opfer-Ausgleich (TOA), der gerade für die Opfer wichtig ist, oft nicht durchgeführt, weil er häufig zeit-und arbeitsaufwendig ist.

Die Zunahme des islamistischen Terrorismus und Extremismus, der auch vor Deutschland und Hessen nicht halt macht, muss uns mit Sorge erfüllen.

Im Justizvollzug muss bereits radikalisierten Straftätern in den Vollzugsanstalten besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden!

Der muslimische Gefangenenseelsorger der JVA Wiesbaden Meyer hat in der FR jüngst gewarnt, "Das Potenzial der Radikalisierung in den Gefängnissen wächst derzeit, weil nun auch radikalisierte Rückkehrer aus den syrischen und irakischen Kampfgebieten einsitzen. Außerdem haben mittlerweile mehr Gefangene als früher Kontakte in die salafistische Szene“.

Ein zentraler Baustein bei der Entkriminalisierung dieser Gefangenen ist die Seelsorge durch muslimische Imame. Das hat nicht zuletzt die Anhörung des Hessischen Landtags zum Thema „Salafismus“ sehr deutlich gemacht. Zwar sind die Mittel für die muslimische Seelsorge erhöht worden, jedoch ist das „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, wie Meyer dem „Mannheimer Morgen“ gesagt hat.

Auf unseren Berichtsantrag zu diesem Thema musste das Justizministerium auch einräumen, dass in 6 (!) Anstalten gar keine muslimische Seelsorge angeboten wird!

Hier gibt es Frau Justizministerin erheblichen Nachholungsbedarf!

Zur Prävention gehört nicht nur Straffällige „wegzusperren“ und damit zunächst für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen, sondern vor allem diese zu resozialisieren, d. h. so im Strafvollzug zu behandeln, dass sie künftig ohne Straftaten leben.

Wie sieht es in Hessen aus?

Im Justizvollzug mangelt es an Kräften des allgemeinen Vollzugsdienstes und von Fachdiensten, etwa der sozialen Fachdienste und Psychologen.

Insbesondere der allgemeine Vollzugsdienst klagt über immer schwieriger werdendes Gefangenklientel, mangelnde Anerkennung, die 42-Stunden-Woche im belastenden Schicht- und Wechseldienst, mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten, viele Überstunden und einem hohen Krankenstand.

Die Gefangenenklientel wird deshalb schwieriger, da neben zusätzlichen Herausforderungen (mehr ältere Gefangene, Sicherungsverwahrte) die Anzahl der psychisch kranken und auffälligen Gefangenen zunimmt.

Gewiss, in der Vergangenheit sind in einzelnen Gefängnissen sog. „spezialisierte Behandlungsstationen“, wie z. B. in der JVA Butzbach geschaffen worden. Es fehlt in Hessen allerdings ein stimmiges Konzept, d. h. genügend Fachpersonal und Behandlungsplätze, um dieses Problem „in den Griff zu bekommen“!

Das haben Sie, Frau Kühne-Hörmann, zu verantworten!

Frau Justizministerin Kühne-Hörmann, Sie wollen mit einem Gesetzentwurf die Resozialisierung als Vollzugsziel in das Strafvollzugsgesetz mit aufnehmen. Sie übernehmen mit dem Gesetz zwar ein paar Anregungen aus der Praxis, der „große Wurf bleibt aber aus“!

Sie ergänzen nämlich nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen die Möglichkeit der sog. „vollzugsöffnenden Maßnahmen“, d. h. z. B. die Ausführung eines Gefangenen.

Wir als SPD fordern ausreichendes behandlerisches Personal für die Gefangenen und ein effektiveres und besseres Übergangssystem vom Gefängnis in die Freiheit, wie dies z. B. auch die Straffälligenhilfe in Hessen fordert.

Das ist echte Resozialisierung und der beste Opferschutz!

Die sog. „Häuser des Jugendrechtes, in denen alle Beteiligten (u. a. Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendgerichtshilfe, das Jugendamt) eng zusammen arbeiten und damit nicht nur die „Strafe schnell auf den Fuß folgt“, so dass der Jugendliche zeitnah mit seiner Straftat und den Auswirkungen konfrontiert wird, sind ein Erfolgsmodell.

Nicht zuletzt, weil durch das gemeinsame Zusammenwirken präventiv agiert und reagiert werden kann: Die Beteiligten kennen gerade bei den Mehrfach-und Intensivtätern potentielle Straftäter.

Es war die SPD, die durch einen Antrag im Jahr 2008 die Idee der Jugendhäuser nach Hessen gebracht hat. Gut, dass diese an drei Standorten umgesetzt sind!

Uns ist allerdings auch wichtig, dass die positiven Erfahrungen des „vernetzten Arbeitens“ in die Fläche transferiert werden, d. h. auch an Landgerichtsbezirke, wo keine Häuser des Jugendrechtes sind.

Das ist Prävention!

Das Internet ist „der neue Tatort“:
Die Internetkriminalität steigt stetig an. Auch hier fehlt bei Polizei und Justiz ausreichendes Personal!

Nicht nur:
Ihre Antwort, Frau Justizministerin, auf die wachsenden Sicherheitsherausforderungen ist, weniger Personal und Personalabbau.

Das ist der falsche Weg!

Der Besitz und die Verbreitung von Kinderpornographie ist laut dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes „ein Massenphänomen“.

Das Ausmaß an Gewalt gegen Kinder in Deutschland ist erschreckend.
Jede Woche werden in Deutschland zwei Kinder getötet, pro Tag 40 (!) sexuell misshandelt!

Was muss in Hessen getan werden?

Bei der Löschung kinderpornographischer Seiten gibt es zwar auch Dank automatisierter Erkennungsverfahren Fortschritte, jedoch fühlen sich viele Ermittler „wie Sisyphus“.
Polizei und Staatsanwaltschaft sind auch „Dank des Personalabbaus“ dieser Landesregierung längst nicht so personell ausgestattet, um der Kinderpornographie trotz größter Anstrengungen im Netz ernsthaft etwas entgegensetzen zu können.

Wichtige Prävention ist die Beratung und Hilfe für pädophile Männer. So können in vielen Fällen Straftaten verhindert werden. Leider gibt es nur eine Beratungsstelle in Gießen.

Wir fordern Sie auf, die Finanzierung dieser Beratungsstelle, die bis Ende des Jahres ausläuft, sicherzustellen.

In einer Anhörung des Hessischen Landtages wurden zudem eindringlich dezentrale, flächendeckende Beratungsangebote für diese (potentiellen) Täter gefordert.

Auch hier: Fehlanzeige!

Durch das sog. „Gewaltschutzgesetz“ des Bundes aus dem Jahr 2002 ist das Thema „Häusliche Gewalt“ glücklicherweise keine Privatsache mehr. Diesen Straftaten wird (Gott sei Dank) viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Schließlich hat jede 4. Frau bereits einmal oder mehrfach körperliche Angriffe erlebt!

Im Rahmen der sog. „Operation Düstere Zukunft“ hat diese Landesregierung jedoch für viele Opfer und Betroffene Beratungs-und Unterstützungsangebote, wie z. B. Mittel für Frauenhäuser, Notrufe, Beratungsstellen völlig gestrichen bzw. merklich gekürzt.

Sie sind nicht durch das von der schwarz-grünen Landesregierung eingeführte „Sozialbudget light“ kompensiert worden!

Auch die SPD will den Opferschutz im strafrechtlichen Verfahren weiter verbessern.

Aber auch Opferberatung und –betreuung außerhalb des Strafverfahrens muss weiter ausgebaut werden! Deshalb hat die SPD bereits vor Jahren (!) einen Ausbau der Zeugenzimmer in allen Landgerichtsbezirken gefordert!

In vielen Fällen hat das Opfer nach dem sog. Opferentschädigungsgesetz keinen Anspruch. Deshalb hat die SPD bereits vor vielen Jahren auch hier in Hessen (wie in Rheinland-Pfalz) die Errichtung einer Opferstiftung gefordert. Diese ermöglicht Opfern von Straftaten schnelle und unbürokratische Hilfe jenseits gesetzlicher oder bürokratischer Hürden.

Es war Ihre Partei, die CDU, Frau Kühne-Hörmann, die bis heute den Opfern von Straftaten diese Hilfe verwehrt!

Herr Präsident,

in der Innen- und Rechtspolitik steht auch Hessen, angesichts wachsendem internationalen Terrorismus und Extremismus, vor einem Anstieg der organisierten Kriminalität und Internetkriminalität und vor großen Herausforderungen für die Sicherheit unserer Bürger.

Meine Damen und Herren, statt „salbungsvoller Worte brauchen wir Taten!“

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!