Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
das BVerfG hat in einer bemerkenswerten, wegweisenden Entscheidung vom 04.05.2011 die bisherigen Regelungen zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber aufgefordert bis zum 31.05.2013 neue Regelungen zu ergreifen.
Nun beraten wir den von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf in 2. Lesung.
Die Anhörung zu diesem Gesetz hat einige Verbesserungsvorschläge zu Tage gebracht, die die SPD-Landtagsfraktion in einem Änderungsantrag zu diesem Gesetzentwurf aufgegriffen hat.
Dieser hat in großen Teilen auch in CDU- und FDP-Fraktion überzeugt, denn nachdem wir unseren Änderungsantrag zum Gesetz vorgelegt haben, haben sich CDU und FDP zumindest ein wenig bewegt und einige Vorschläge gemacht, die sich z. T. mit den unsrigen decken.
Sie müssen wie immer erst zum Ziel getragen werden!
Ich will Ihnen fünf zentrale Änderungen vorstellen, die aus unserer Sicht zwingend erforderlich sind:
Der Gesetzentwurf sah vor, dass in der Regel zwei Gutachten vor der Gewährung sog. vollzugsöffnender Maßnahmen eingeholt werden müssen.
In der Anhörung wurde vorgetragen, dass von einem zweiten Gutachten kein Erkenntniszuwachs zu erwarten ist, da es sich bei den hinzugezogenen Gutachtern um solche handelt, die von der JVA Schwalmstadt, dem Justizministerium und der Strafvoll-streckungskammer geprüft werden. Bei einer nicht erforderlichen Zweitbegutachtung würden durch eine Zweitbegutachtung deutliche Verzögerungen entstehen und unnötige Steuergelder ausgegeben werden.
Wir wollen zudem die Freistellungsmöglichkeit von Sicherungsuntergebrachten von 3 auf 6 Monaten verlängern.
Die bisher 3-monatige Zeit ist viel zu kurz für Sicherungsuntergebrachte, um sich in dieser Zeit auf einen außerhalb der Einrichtung (etwa im Hinblick auf eine Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche) vorzubereiten.
Diesem Vorschlag sind nun glücklicherweise auch CDU und FDP gefolgt!
Da die Bediensteten mit dem schwierigsten Klientel arbeiten müssen, halten wir eine kontinuierliche Supervision für die Bediensteten für unabdingbar. Das wollen wir auch gesetzlich so festschreiben!
Auch dieser Vorschlag hat CDU und FDP offensichtlich überzeugt!
Gewalt unter Gefangenen findet statt; oft auch unerkannt und subtil. Die Dunkelziffer ist hoch.
Deshalb wollen wir den Schutz der Untergebrachten vor Übergriffen ausdrücklich in dem Gesetzentwurf mit aufnehmen.
Ich nehme nun zu zwei Punkten Stellung, die die SPD-Landtagsfraktion aus fachlichen Gründen und den Erkenntnissen aus der Anhörung anders sieht, als diese Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen:
Das BVerfG hat an die Therapieangebote in der Sicherungs-unterbringung neue Anforderungen gestellt. Keine Antwort hat das BVerfG allerdings darauf gegeben, wie mit denjenigen Sicherungsuntergebrachten umgegangen wird, die nicht therapierbar sind.
In der Anhörung ist mehrfach eine Regelung gefordert worden, die das Therapiegebot praxistauglich macht.
So sehen wir in unserem Änderungsantrag die Möglichkeit vor, nicht zielführende Maßnahmen zu beenden bzw. einzelne Maßnahmen auszusetzen, ohne dass der gesamte Therapieprozess gefährdet wird.
Solch eine Flexibilität trägt der Praxis Rechnung, ist mit den Vorgaben des BVerfGs vereinbar und kann bei vielen Betroffenen sogar zielführender sein, da sie flexibler und passgenauer erreicht werden.
Aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion ist die Arbeit der zentrale Baustein zur Resozialisierung. Deshalb wollen wir ein Arbeitsgebot in das Gesetz schreiben.
Die von uns vorgeschlagene Regelung sagt:
Sicherungsverwahrte sind verpflichtet, eine ihnen aus behandlerischen Gründen zugewiesene, angemessene Arbeit oder arbeitstherapeutische Maßnahme auszuüben und das vorhandene schulische oder berufliche Bildungsangebot zu nutzen, soweit sie dazu in der Lage sind.
Eine ähnliche Regelung sieht auch das bayrische Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz vor.
Ihr Vorwurf, diese Regelung sei nicht verfassungskonform, trägt nicht. Vollzugspraktiker wissen: Mancher Verwahrter, der sich ansonsten vollständig in seinen Unterbringungsbereich zurückzieht, kann so zur Teilnahme am Anstaltsleben angehalten werden.
Viele Untergebrachte wollen ohnehin arbeiten. Die Nachfrage an Arbeit unter den Sicherungsverwahrten ist stets größer als das Angebot.