Justizhaushalt 2011

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
die Beratungen für den Justizhaushalt 2011 stehen leider unter einem „ungünstigen Stern“.
Obwohl im Koalitionsvertrag von CDU und FDP noch klar formuliert wurde, die neue Landesregierung stehe für eine bürgernahe Justiz, passiert nun genau das Gegenteil.
Der Justizminister baut bürgernahe Justizstrukturen massiv ab. Durch einen Beschluss der Landesregierung werden in Hessen fünf Arbeitsgerichts- und acht Amtsgerichtsschließungen erfolgen.
Durch die Gerichtsschließungen sollen angeblich 23,6 Mio. Euro eingespart werden.
Wie genau diese Einsparung erzielt werden soll, bleibt völlig offen. Dies zeigt nicht zuletzt die letzte Gerichtsschließungswelle aus dem Jahre 2003.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass zwar das Justizministerium nicht mehr über das Hessische Immobilienmanagement die Gebäudekosten trägt, dafür aber das Finanzressort für zumeist leer stehende und nicht vermarktbare Immobilien. Seriöse Haushaltspolitik sieht anders aus!
Gerade in Flächenlandkreisen, wie z. B. im Main-Kinzig-Kreis oder dem Landkreis Hersfeld-Rothenburg, muss der rechtsuchende Bürger noch längere Wege auf sich nehmen, um sein Recht zu erlangen. Leittragende sind also neben den Bediensteten wieder einmal in besonderer Weise die Bürgerinnen und Bürger, die im ländlichen Raum leben.
Angeblich sollen nach Aussage des Justizministers keine Stellen mehr abgebaut werden.
Herr Justizminister, nach den von Ihnen selbst veröffentlichten Zahlen, die Sie in der kursorischen Lesung vorgelegt haben, werden aber letztlich 84,5 Stellen abgebaut!
Faktisch passiert dies z. B. durch eine Nichtwiederbesetzung von frei werdenden Stellen. Außerdem haben gerade Teilzeitkräfte, vor allem Frauen in vielen Einzelfällen längere Anfahrtswege zu ihrem „neuen Gericht“ in Kauf zu nehmen. Dies wird finanziell, zeitlich und aus familiären Gründen unattraktiv sein, so dass damit gerechnet werden muss, dass die Betroffenen sich nach einer anderen Tätigkeit umsehen müssen und die so frei gewordenen Stellen nicht besetzt werden.
Deshalb ist es schon zynisch, wenn der Justizminister landauf landab die Leistungsfähigkeit der Justiz lobt, aber die Motivation der Mitarbeiter (-innen) durch Gerichtsschließungen, NVS und Mehrbelastungen durch SAP/R3 „auf die Probe stellt“!
Herr Justizminister, der in Art. 20 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierte Rechtsstaat ist ein hohes Gut, der mithilft unsere Demokratie zu sichern und ein hohes Ansehen in der Bevölkerung genießt.
Dies verdanken wir engagierten Mitarbeitern (-innen), Richtern, Staatsanwälten, Rechtspfleger, Urkundsbeamten und Serviceangestellten.
Gefährden Sie nicht durch eine intransparente, kompromisslose Politik dieses hohe Gut!
Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
Lassen Sie mich auch auf den Justizvollzug zu sprechen kommen.
Vor kurzem wurde mit den Stimmen der Mehrheitsfraktionen das Erwachsenenstrafvollzugsgesetz beschlossen.
Wir alle wissen, ein effektiver Strafvollzug, ich spreche vom Behandlungsvollzug, braucht ausreichend Personal, nicht nur bei den Fachdiensten, sondern auch dem allgemeinen Vollzugsdienst, der tagtäglich am meisten mit den Gefangenen arbeitet.
Trotz der angespannten Haushaltslage ist dies ein Bereich, bei dem aus unserer Sicht mehr Personal erforderlich ist. Dies haben wir mit unserem Änderungsantrag zum Haushalt deutlich gemacht.
Viele Überstunden, Rasterdienstpläne, die schlecht zur 42 Stunden-Woche passen, ein höherer Krankenstand, viel Druck von „oben“, wenig Beförderungsmöglichkeiten sowie keine Mitbestimmung kennzeichnen den allgemeinen Vollzugsdienst.
Deshalb braucht der AVD dringend eine personelle Verstärkung!
Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
ich werde noch auf einen letzten Punkt eingehen:
Der EGMR hat der Bundesrepublik Deutschland dieses Jahr „ins Stammbuch“ geschrieben, dass zum Einen die sogenannte nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht mit der EMR-Konvention vereinbar ist, und zum Anderen die Sicherungsverwahrung menschenrechtskonforme neue Standards erfüllen muss. Das heißt sie muss sich nicht nur hinsichtlich der Möglichkeiten Pakete zu erlangen oder Telefonate führen können, von dem Vollzug der Strafhaft unterscheiden, sondern die Sicherungsverwahrten bedürfen auch einer besonderen Behandlung und Betreuung, weil auch hier das Ziel der Resozialisierung im Vordergrund steht.
Der von Ihnen vorgelegte Haushalt enthält hierzu gar nichts.

Die SPD-Fraktion hofft, dass das BVerfG im neuen Jahr dem Gesetzgeber und der Rechtsprechung klare Vorgaben zur Regelung der sogenannten Altfälle gibt.
Zudem erwarten wir, dass einige „Altfälle“ durch das sogenannte Therapieunterbringungsgesetz geregelt werden können.
Ansonsten ist aber auch das Land Hessen endlich (auch ggf. im Verbund mit anderen Bundesländern) aufgefordert, neue Regeln für die Sicherungsverwahrung im Lichte des EGMR zu erfassen.
Herr Justizminister, wegducken gilt nicht! Sie müssen endlich Verantwortung übernehmen!
Lassen Sie mich zusammenfassen:
Der Einzelplan 05 gibt keine Antwort auf eine moderne, zukunftsgerichtete Justizpolitik.
Der Einzelplan 05 ist enttäuschend!
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!