Artikel aus dem Echo Online: Häftling nach schwerer Attacke gestorben

Ein psychisch auffälliger Gefangener hat am Montagnachmittag in der Weiterstädter Justizvollzugsanstalt einen Mithäfling lebensgefährlich verletzt. Das hessische Justizministerium bestätigte den Vorfall, der erst am Dienstag bekannt wurde, und sprach von einem ,,versuchten Tötungsdelikt". Die Tat ereignete sich in der vor gut einem Jahr eingerichteten Abteilung für psychisch auffällige Gefangene. Das Opfer, ein 24 Jahre alter Mann, erlag am Mittwoch seinen schweren Kopfverletzungen und starb in einer Klinik.
Über den genauen Tathergang gab es zunächst keine Detailinformationen. Das Opfer wurde blutüberströmt in der Zelle eines 29 Jahre alten Gefängnisinsassen gefunden. Die Gewalttat geschah nach Schilderung des Ministeriums am Montag zwischen 15 und 16 Uhr, während des sogenannten Freizeitaufschlusses. In diesen Zeiten können sich die Gefangenen auf der Station frei bewegen. Ihre Hafträume können sie dabei selbst verschließen und so vor unerwünschtem Zutritt durch Mitgefangene schützen. Der mutmaßliche Täter führte die Aufsichtsbeamten offenbar selbst zu seinem Opfer.
Das Ministerium schildert den Ablauf nach bisherigem Ermittlungsstand: Der 29 Jahre alte Häftling wendet sich an diesem Nachmittag an einen Aufsichtsbeamten – mit dem Hinweis, er höre Stimmen. Ein Psychiater wird verständigt, eine Minute dauert es, bis er vor Ort ist. Der Mann führt den Arzt zu seiner Zelle, sie ist zu diesem Zeitpunkt verschlossen. Als sich die Tür öffnet, liegt dort der 24 Jahre alte Mitgefangene – blutüberströmt, bewusstlos, mit erheblichen Kopfverletzungen.
Dann geht alles schnell: Notversorgung, das Opfer wird in eine Klinik außerhalb der Anstalt gebracht. Es besteht akute Lebensgefahr. Am Mittwoch erliegt der junge Mann in der Klinik seinen schweren Verletzungen.
Der mutmaßliche Täter ist nach wie vor in Weiterstadt und wird dort auch bleiben, berichtet Ministeriumssprecherin Dagmar Döring dem ECHO gegenüber. Er sitzt in Weiterstadt eine rund zweijährige Haftstrafe wegen eines Rauschgift-Delikts ab und ist laut Ministerium bereits wegen Gewalttätigkeit vorbestraft. Im August hätte er entlassen werden sollen. Sein Opfer verbüßt eine dreijährige Jugendstrafe wegen Betrugs sowie eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren wegen schweren Raubes. Erst 2015 sollte er wieder frei kommen.
Am Mittwoch dauerten die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft noch an. Der Tatverdächtige wurde vernommen. Inzwischen habe der 29 Jahre alte Mithäftling die Tat eingeräumt. Das berichtete ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Darmstadt am Mittwoch. Er soll den 24-Jährigen mit Schlägen und Tritten schwerste Kopfverletzungen zugefügt haben.
Der 29-Jährige galt als psychisch auffällig. Er ist in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht worden. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt ermittelt gegen ihn. Laut Ministerium hatte das Opfer aber während seiner Untersuchungshaft im Jahr 2007 von Drohungen und Übergriffen durch Mitgefangene berichtet. Ein Beschuldigter war daraufhin wegen Körperverletzung und räuberischer Erpressung verurteilt worden. Dabei handele es sich allerdings nicht um den jetzigen Tatverdächtigen, unterstrich Döring und korrigierte damit zunächst in der Öffentlichkeit kursierende Vermutungen.
Die SPD-Landtagsfraktion fordert derweil ,,eine schnelle und unfassende Aufklärung der Gewalttat in Weiterstadt" von Justizminister Uwe Hahn (FDP). Wie die Landtagsabgeordnete und Weiterstädter Kommunalpolitikerin Heike Hofmann – sie ist zugleich justizpolitische Sprecherin ihrer Fraktion in Wiesbaden – mitteilte, erwarte man, dass die politischen Gremien zeitnah informiert würden. Wie gefährlich war der Täter im Vorfeld eingestuft worden? Wie war die Personalstärke am Tag der Tat in der Weiterstädter JVA? Das sind einige der Fragen, die die SPD-Opposition in Wiesbaden nun beantwortet haben möchte.

Quelle: Echo Online vom 16. März 2010