Justizpolitik

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

2008 wurden 191 948 Ehen geschieden. Darunter waren 94 521 Ehen, in denen 150 187 minderjährige Kinder betroffen waren.

Der Streit um das Sorge- und Umgangsrecht für gemeinsame Kinder steht häufig im Zentrum der Auseinandersetzung bei Trennung und Scheidung.
Die betroffenen Kinder sind doppelt belastet: Sie leiden nicht nur unter der Trennung ihrer Eltern, sondern auch unter dem meist langwierigen und konfliktreichen Gerichtsverfahren. Gerichtliche Entscheidungen regeln zwar die Streitpunkte, beseitigen aber häufig nicht die Ursachen des Konflikts.

Das Kindeswohl steht im Zentrum einer Regelung über das Sorge- und Umgangsrecht. Eine nachhaltige, klare Lösung, die künftige Konflikte vermeidet, dient dem Kindeswohl am Besten. Eine derartige Regelung ist nur zu erreichen, wenn die Eltern im Interesse ihres Kindes gemeinsam eine Lösung finden, die beide akzeptieren und in der praktischen Umsetzung auf Dauer unterstützen.

Dies ist genau der Ansatz des so genannten Cochemer Modells, das über die Grenzen von Rheinland Pfalz in vielen Bundesländern, wie z. B. in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt bereits erfolgreich praktiziert wird.

Durch eine flächenübergreifende Zusammenarbeit aller an Umgangs- und Sorgerechtstreitigkeiten beteiligten Berufsgruppen (Familienrichter, Anwälte, Mitarbeiter von Jugendämtern und Beratungsstellen, Sachverständige) soll eine Kooperation der Eltern im Interesse des Kindeswohls erreicht werden. Die Eltern sollen gemeinsam und eigenständig die elterliche Verantwortung für ihre Kinder wahrnehmen und mit Hilfe der beteiligten Berufsträger eine einvernehmliche und tragfähige Lösung finden.

Kernpunkte der Verfahrenspraxis sind:

– Die Antragsschrift an das Gericht wird auf das Notwendigste beschränkt. Hierzu gehört eine kurze, konzentrierte Sachverhaltsdarstellung ohne persönliche Vorwürfe und der eigentliche Antrag. Eine Erwiderung des Antragsgegners unterbleibt.
– Das Gericht terminiert kurzfristig, möglichst binnen eines Monats. In dem Gerichtstermin erhalten beide Elternteile ausreichend Gelegenheit, alle Punkte vorzubringen, die sie für wesentlich halten.
– Das Jugendamt wird sofort in das Verfahren eingebunden und nimmt an dem Gerichtstermin teil. Zuvor führt der zuständige Mitarbeiter möglichst Gespräche mit beiden Elternteilen und den Kindern.
– Alle am Verfahren beteiligten Berufsgruppen wirken auf ein Einvernehmen der Eltern hin.
– Kommt eine Einigung im ersten Gerichtstermin nicht zustande, wird den Eltern kurzfristig eine Beratungsmöglichkeit eröffnet.

In der großen Mehrzahl der Fälle gelingt es auf diese Weise, entweder bereits im ersten Termin oder während der Beratung eine von Beteiligten auch innerlich akzeptierte einvernehmliche Lösung zu finden. Diese Verfahrensweise führt in vielen Fällen zu nachhaltigen Lösungen.

Der SPD-Fraktion ist wohlbekannt, dass sich das Amtsgericht in Königstein im Taunus bei der Einführung des Königsteiner Modells, welches die Verfahrensweise im Umgangs- und Sorgeverfahren darstellt, am Cochemer Modell orientiert hat und Elemente der sogenannten Cochemer Praxis in das FGG etwa mit dem § 1666 a BGB am 1. 9. 2009 Einklang gefunden haben.

Jedoch muss das eigentliche Cochemer Modell stärker in die Praxis implementiert werden; es ist umfassender und funktioniert nur, wenn alle an Sorge- und Umgangsstreitigkeiten Beteiligten auf der örtlichen Ebene zusammenarbeiten.

Wir als SPD-Fraktion wollen von den positiven Erfahrungen anderer Bundesländer profitieren und das Cochemer Modell hier in Hessen auch modellhaft erproben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!