Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
durch die Föderalismusreform I haben nun die Länder die Gesetz-gebungskompetenz für den Strafvollzug (obwohl wir dies in der Vergangenheit stets kritisiert hatten).
Deshalb ist es zunächst konsequent, dass die Landesregierung nun nach dem Jugendstrafvollzugsgesetz auch ein eigenes Erwachsenenstrafvollzugsgesetz sowie Untersuchungshaftgesetz vorlegt.
Ich möchte angesichts der Kürze der Zeit vor allem auf das Erwachsenenstrafvollzugsgesetz eingehen:
Es ist enttäuschend, dass Sie Resozialisierung und Sicherheit als gleichrangige Vollzugsziele formulieren wollen.
Das Ziel des Vollzugs soll sich aus unserer Sicht an der Rechtsprechung des BVerfG orientieren:
Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.
Dies wird ergänzt durch die Aufgabe des Vollzugs die Allgemeinheit vor Straftaten zu schützen.
Dabei besteht zwischen diesen Zielen kein Gegensatz, das hat das BVerfG ausdrücklich festgestellt.
Der geschlossene Vollzug soll der Regelvollzug nach Ihrem Gesetzentwurf sein. Damit wird der offene Vollzug degradiert und nicht mehr als wichtiges Instrument der Resozialisierung bei geeigneten Gefangenen begriffen und verliert seinen Stellenwert als selbständige Vollzugsform!
Der Gesetzentwurf sieht auch nicht die Möglichkeit der Direkteinweisung in den offenen Vollzug vor, wie dies bereits in vielen anderen auch konservativ regierten Bundesländern bereits möglich sei.
Die Möglichkeit der Direkteinweisung in den offenen Vollzug ist z. B. für den Personenkreis angezeigt, der auf ?freiem Fuß? ist, keine weiteren Straftaten verbüßt und der Strafantrittstermin vom Gericht festgelegt ist.
Im Rahmen der Anhörung werden wir auch kritisch hinterfragen, ob der strikte Kriterienkatalog des §13 der sogenannte vollzugsöffnende Maßnahmen, wie Ausführungen, Ausgang und außen restriktive Beschäftigungen beschreibt, in dieser Form sinnvoll und erforderlich ist.
Kritisch sehen wir auch die in §64 Abs. 1 ermöglichte anlass-unabhängige Absuchung.
Bei dem Untersuchungshaft-Gesetz werden wir genau zu überprüfen haben, ob der Unschuldsvermutung (die in §4 des Gesetzentwurfs geregelt ist) ausreichend Rechnung getragen wurde.
Die Arbeit wird gegenüber anderen Resozialisierungsmitteln wie Freigang, Urlaub etc. herausgehoben. Arbeit ist für Gefangene äußerst wichtig, auch die Ausbildung. Sie darf allerdings nicht zum alleinigen Resozialisierungsmittel hochstilisiert werden!
Völlig fehlt etwa eine Regelung für eine Justizvollzugsanstalt in freien Formen, die in Hessen längst überfällig ist und die im Koalitionsvertrag von CDU und FDP zumindest angekündigt ist!
Mit §18 des Gesetzentwurfs, die Einzelunterbringung zur Regel zu machen, vollziehen Sie lediglich gesetzlich nach, was das BVerG vorgegeben hat.
Auch die besonderen eigenen Vollzugsformen, wie z. B. der Frauenvollzug werden nicht im Gesetz abgebildet.
Die Einbindung von ehrenamtlich Tätigen i. S. v. §7 des Gesetzentwurfs ist aus unserer Sicht ungenügend.
Auch die Regelung zum so genannten Übergangsmanagement verdeutlichen z. B. nicht ausreichend, was unter einer qualifizierten Entlassungsvorbereitung zu verstehen ist.
Der Empfang von Paketen mit Nahrungs- und Genussmitteln wird ganz untersagt. Dies ist ebenfalls kritisch zu hinterfragen.
Dieses Strafvollzugsgesetz steht leider ganz in der Tradition konservativer Justizvollzugspolitik, auch wenn sie von einem ?liberalen? Justizminister vertreten wird.
Die SPD-Landtagsfraktion wird in Kürze (wie bereits angekündigt) ein eigenes Strafvollzugsgesetz und Untersuchungshaftgesetz einbringen, das modern und zukunftsweisend ist und insbesondere dem Resozialisierungsgebot ausreichend Rechnung tragen lässt!
Dringend erforderlich ist aus unserer Sicht, dass dieses Gesetz im entsprechenden Fachausschuss, dem UJV, zumindest mit beraten wird!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!