Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
wenn man dem Justizhaushalt, dem Einzelplan 05?, eine passende Überschrift geben müsste, wäre dies wohl am treffendsten folgende: ?Viel Schatten, ein wenig Licht?.
Dabei wissen wir alle:
Eine bürgernahe, leistungsfähige und unabhängige Justiz ist konstitutives Element unseres Rechtsstaats und unverzichtbar für die Herstellung und Erhalt des Rechtsfriedens. Hierzu gehört nicht nur eine sächlich gut ausgestattete, moderne Justiz, sondern auch genügend Personal.
Insbesondere im Bereich der Wirtschafts- und Internetkriminalität steht die Justiz nicht nur angesichts der Masse an Verfahren, sondern auch deren Komplexität vor neuen Herausforderungen. Deshalb hat die SPD bereits 2007 beantragt, neben einer generellen Personalverstärkung durch vier weitere Wirtschaftsstaatsanwälte mit entsprechendem Verwaltungsunterbau effektive, integrierte Handlungseinheiten durch eine Verzahnung mit entsprechenden polizeilichen Ermittlungsgruppen einzurichten.
Dies vollziehen Sie im Haushalt nun nach, was längst überfällig ist, wenn man bedenkt, dass bundesweit durch Wirtschaftskriminalität ein Schaden von über 4 Milliarden Euro entsteht!
So ergreifen Sie mit Ihrem Haushalt endlich, aber viel zu spät, erste Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendkriminalität. Wir können uns alle noch sehr gut daran erinnern, dass Ministerpräsident Koch im vorletzten Wahlkampf populistisch und Effekt haschend das Thema Jugendkriminalität an einem schrecklichen Einzelfall ?medial hoch-gezogen? hat. Schlecht ist nur, dass Sie bei diesem Thema bis zum heutigen Tage Ihre eigenen Hausaufgaben nicht gemacht haben!
Hessen steht bei den Verfahrenszeiten der Jugendgerichtsverfahren immer noch auf dem letzten Platz (!) aller Flächenländer! So liegt Hessen bei der Erledigung von Jugendgerichtsverfahren nach den letzten zugänglichen Erhebungen vor der Großen Jugendkammer des Landgerichts mit einer Erledigungsdauer von 9 Monaten auf Platz 16 aller Länder! Bei den Verfahren vor dem Jugendrichter der Amtsgerichte liegt Hessen auf Platz 15, bei den Verfahren vor dem Jugendschöffengericht auf Platz 14!
Im Haushalt sind nun endlich Mittel für die Häuser des Jugendrechtes (in Wiesbaden und Frankfurt am Main) vorgesehen, die durch eine Vernetzung aller am Jugendstrafverfahren Beteiligter einen entscheidenden Beitrag zur zügigen und effektiveren Bearbeitung von Jugendstrafsachen leisten. Bei diesem innovativen und hervorragenden Projekt mussten Sie zum Jagen getragen werden! Bereits 2006 hat die SPD in diesem Hause die Häuser des Jugendrechtes für Hessen beantragt!
Ebenso hat die SPD bereits 2007 einen Aktionsplan zur Bekämpfung der Jugendkriminalität vorgelegt, der ebenso einen entscheidenden Beitrag zur Senkung der Rückfallquoten bei jugendlichen Straftätern leisten würde!
Jetzt könnte man auf den Gedanken kommen, dass sich die SPD, nachdem nahezu alle ihre Forderungen endlich umgesetzt werden, zufrieden zurücklehnen könnte. Das ist leider nicht so!
Negativ ist nämlich anzumerken, das all die aufgezeigten und längst überfälligen personellen Verbesserungen ? anders als es im Falle einer sozialdemokratischen Regierungsübernahme geplant gewesen ist ? nicht etwa durch zusätzliche originäre Stellen erfolgen, sondern die zur Verfügung gestellten Stellenpotentiale aus dem Stellenaufkommen zukünftiger Juristengenerationen, nämlich den Rechtsreferendaren finanziert wurden. So wird die Anzahl der Referendarstellen um 47 Stellen gekürzt, um in den genannten anderen Bereichen Stellen finanzieren zu können!
Lassen Sie mich einen weiteren Kritikpunkt benennen:
Nachdem Sie durch die ?Operation Düstere Zukunft? die Gerichtshilfe um eine Drittel gekürzt hatten und die Belastungsquote der Bewährungshilfe in den letzten Jahren stetig gestiegen ist (auf heute über 160%), sind Sie bis zum heutigen Tage, nach dem Sie großspurig eine Kommission zur Zukunft der Bewährungshilfe einberufen hatten, die Antwort schuldig geblieben, wie Sie deren Zukunft sehen.
Schäbig ist, dass Sie nachdem Sie die Gerichtshilfe kaputt gespart haben, nun deren Hauptaufgabe, die Vermittlung gemeinnütziger Arbeit in Gänze auf freie Träger übertragen wollen, obwohl diese Aufgabe von der Gerichtshilfe in der Vergangenheit mit großem Engagement und Erfolg erledigt wurde!
Lassen Sie mich zum Justizvollzug kommen:
Im Erwachsenenvollzug bleibt eine nach Zeiten des Personalabbaus dringend erforderliche personelle Verstärkung des allgemeinen Vollzugsdienstes nach wie vor aus.
Und auch wenn das Ministerium in der kursorischen Lesung des Einzelplans 05 vorgetragen hat, dass zur Umsetzung des Jugendstrafvollzugsgesetz u. a. 21 zusätzliche Stellen für Amt-männer/Amtfrauen der BesGr. A11 geplant seien, spricht der Stellenplan des Vorgelegten HH 09 eine andere Sprache. Hier sind nämlich lediglich bei dem Stellenplan der Vollzugsanstalten 12,5 zusätzliche Stellen ausgewiesen.
Im Übrigen fehlen nach wie vor Mittel für eine erforderliche und im Jugendstrafvollzugsgesetz vorgesehene Einrichtung des Vollzugs in freien Formen, wie es sie bereits in Baden Württemberg und der Schweiz mit großem Erfolg gibt. Hier wird Hessen offenbar auch weiterhin hinterherhinken. Deshalb müssen sich die Landesregierung und der neue Justizminister inzwischen fragen lassen, wie ernsthaft sie diesen Erfolg versprechenden Ansatz zur Senkung von Rückfallquoten bei Jugendlichen von 70 % (!) überhaupt verfolgen.
Demgegenüber ist schon interessant, wofür der Justizminister Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt bekommen möchte. Stattdessen werden 300.000 ? für die Anschaffung von Drogensuchrahmen in den Anstalten der Sicherheitsstufe 1 eingeplant. Dies verwundert, weil im UJV regelmäßig berichtet, dass seit ca. einem Jahr entweder gar keine oder kaum nennenswerte Mengen Drogen gefunden worden sind.
(Pause)
Nachdem sich die Ressortzuständigkeit nun geändert hat, ist das Justizressort neben den Europangelegenheiten nun auch für die Integration zuständig.
Es ist positiv, dass die Landesregierung bei dieser wesentlichen Zukunfts- und Querschnittsaufgabe ansatzweise lernfähig ist. In der Vergangenheit bestand das Profil ja überwiegend in fruchtlosen Leitkulturdebatten und darin, dass insbesondere für Roland Koch ausländische Mitbürger je nach Bedarf für populistische Wahl-kampfthemen (hier nur an die Kampagnen zur Doppelten Staats-bürgerschaft, zur Jugendkriminalität zu erinnern) herhalten mussten.
Die SPD hat schon längst die Bedeutung der Integrationspolitik erkannt und deshalb als einzige Fraktion eine entsprechende Querschnittsarbeitsgruppe eingerichtet, die bereits einen Vorschlag für die Einsetzung einer Enquête-Kommission gemacht hat. Dass die Landesregierung und die Koalition bereit sind, in einer solchen Enquête-Kommission die schwierigen und drängenden Fragen der Integration (Spracherwerb, Migrantinnen und Migranten in der öffentlichen Verwaltung, Vereinen) in ihrem inneren Zusammenhang zu diskutieren und zu bearbeiten, ist ein hoffnungsvolles Zeichen.
Wir reichen Ihnen für diese Zukunftsaufgabe ausdrücklich die Hand und hoffen auch in Einzelfragen ? wie der Frage eines Islamischen Religionsunterrichts ? auf konstruktive Ergebnisse im Sinne einer friedlich zusammenlebenden Gesellschaft verschiedener Nationen.
Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
zusammenfassend ist bei diesem Haushalt zumindest beruhigend, dass er nur eine kurze ?Halbwertszeit? haben wird, da wir in wenigen Monaten, im Herbst über den neuen Haushalt beraten werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!