"Nachdem sich die FDP bereits im innenpolitischen Teil der Koalitionsvereinbarung nicht durchsetzen konnte, lassen erst recht die vom neuen Justizminister ausgehandelten rechts- und justizpolitischen Inhalte jeglichen Hauch einer modernen Rechtsstaatspartei vermissen. Die FDP setzt sich so gut wie gar nicht mehr durch", sagte heute die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heike Hofmann, in Wiesbaden zum Koalitionsvertrag von CDU und FDP.
Im Wesentlichen sei der Koalitionsvertrag symptomatisch für das Verhalten der FDP in den letzten sechs Jahren und zeige einmal mehr, dass die Liberalen in Hessen keine eigenen politischen Inhalte verträten, sondern der CDU politisch hinterher liefen.
Statt sich aktiv den in der Justiz gegebenen Herausforderungen zu stellen, versuchten CDU und FDP von den Versäumnissen der letzten sechs Jahre abzulenken. Statt Handlungskonzepte zu entwickeln, mit denen insbesondere der von der CDU in den letzten Jahren verursachte Personalnotstand behoben und die Leistungsfähigkeit der Gerichte und Staatsanwaltschaften gestärkt werden könnten, werde dieser Bereich nahezu ausgeblendet.
Die SPD habe demgegenüber in ihrem Wahlprogramm konkrete und konzeptionelle Aussagen getroffen, indem eine deutliche Verbesserung der personellen und sächlichen Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften angestrebt werde. Ziel sei es, 124 zusätzliche Staatsanwälte und Richter sowie die zur Unterstützung erforderlichen Verwaltungskräfte neu einzustellen, den Amtsanwaltsdienst zu stärken sowie zusätzliche Experten zu Bekämpfung von Korruption und Wirtschaftskriminalität einzustellen. Damit wäre nicht nur die Justiz entlastet worden, sondern dies hätte darüber hinaus auch zur zeitlichen Verkürzung von Gerichtsverfahren und zur effizienteren Kriminalitätsbekämpfung geführt.
Ebenso defizitär sei die geplante Vorgehensweise zur Bekämpfung der Jugendkriminalität. So habe der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag einmal mehr offenbart, dass die bisherigen Wahlkampfaussagen von Roland Koch und der CDU zur Schaffung von Häusern des Jugendrechts inhaltlich falsch gewesen seien. Hofmann erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass die SPD seit 2006 die CDU und die von ihr getragene Landesregierung aufgefordert habe, in Hessen so genannte Häuser des Jugendrechts zu schaffen. Bis Dezember 2007 sei dies aber von der CDU im Parlament immer wieder abgeblockt worden. Erst nachdem im Januar 2008 die Schaffung von Häusern des Jugendrechts als wesentliche Säule des sozialdemokratischen Aktionsplans zur Bekämpfung von Jugendkriminalität und zur Senkung von Rückfallquoten bei jungen Straftätern genannt worden waren, habe die Landesregierung im April 2008 begonnen, in Frankfurt am Main ein Haus des Jugendrechts gegen den Widerstand der Stadt und der fachlich Betroffenen zu planen. Jetzt gestehe Schwarz-Gelb im Koalitionsvertrag öffentlich ein, so Hofmann, dass es sogar bis 2010 dauern könne, bis es in Hessen überhaupt ein Haus des Jugendrechts geben werde. Damit würden seit 2006 insgesamt vier Jahre vergehen, bevor ein in anderen Ländern seit Jahren praktiziertes und bewährtes Modell in Hessen zur Bekämpfung der Jugendkriminalität zum Einsatz käme.
Im Übrigen werde man mit Interesse die bevorstehenden Haushaltsberatungen abwarten und prüfen, ob es die von der SPD geforderten zusätzlichen Jugendstaatsanwälte und Richterstellen für Jugendrichter tatsächlich geben werde, die nunmehr angekündigt worden seien. Denn Hessen stehe nach wie vor bei den Verfahrenszeiten der Jugendgerichtsverfahren auf dem letzten Platz aller Flächenländer ? und damit wie in vielen anderen politischen Bereichen stabil hinten? sagte die sozialdemokratische Justizexpertin. Auch im Januar dieses Jahres habe man feststellen müssen, dass Hessen im bundesweiten Vergleich bei den Erledigung von Jugendgerichtsverfahren vor der Großen Jugendkammer des Landgerichts mit einer Erledigungsdauer von 9 Monaten von Platz 14 in 2006 auf Platz 16 in 2007 abgerutscht sei und mit einer Dauer von 7,8 Monaten bei Verfahren vor der Jugendkammer in der ersten Hälfte des letzten Jahres immer noch auf Platz 16 aller Bundesländer gelegen habe. Hessen sei damit geradezu meilenweit von dem bundesweiten Durchschnitt des Jahres 2007 (5,5 Monate) entfernt. Ebenso stelle Hessen bei den amtsgerichtlichen Verfahren vor dem Jugendrichter mit Platz 15 das Schlusslicht aller Flächenländer da. Bei den Verfahren vor dem Jugendschöffengericht stehe Hessen auf Platz 14. Diese Negativentwicklung müsse endlich gestoppt werden. Deshalb sei es nach Ansicht der Sozialdemokratin dringend erforderlich, dass zusätzlich zu der allgemeinen Personalverstärkung gerade auch in diesen Bereich investiert werde.
Letztlich zeige auch der sich mit dem Justizvollzug befassende Teil keine echten inhaltlichen Perspektiven auf. Offenbar sehe es die FDP bereits als ausreichenden innovativen Fortschritt an, dass die Landesregierung nicht mehr offensiv den ?härtesten Strafvollzug Deutschlands? (Zitat Koch) proklamiere.
Qualitativ werde sich nach den Ausführungen im Koalitionsvertrag in Hessen nichts ändern, so die Einschätzung Hofmanns. So würden im Wesentlichen lediglich die aufgrund der Föderalismusreform I notwendigen Gesetzgebungsschritte angekündigt, ohne dass Lösungen für die aktuell bestehenden und im Personalbereich liegenden Probleme aufgezeigt würden. Desgleichen werde um jeden Preis an den in ihrer Kostenstruktur höchst umstrittenen Teilprivatisierungsvorstellungen festgehalten und innovative Ansätze des Jugendstrafvollzugsgesetzes ? wie der Vollzug in freien Formen ? auf die ?lange Bank? geschoben.