mangelnde Unterstützung der hessischen Staatsanwaltschaften durch die Landesregierung im Plenum Juli 2006

Herr Präsident,

meine Damen und Herren,

die Frankfurter Neue Presse titelte am 21. Februar 2006 ?Hilferuf der Staatsanwälte?, der Wiesbadener Kurier am 15. Februar 2006 ?Ermittlungen waren kurze Zeit stillgelegt?.

Anlass für diese Meldungen war ein Hilferuf bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt, bei der Korruptionsbekämpfung könnten viele Verfahren gegen Beschuldigte eines Korruptionsskandals in der Immobilienbranche nicht bearbeitet werden.

Auf die hohe, fast unzumutbare Arbeitsbelastung bei den hessischen Staatsanwaltschaften machen die Verbände, Verdi, NRV und Deutscher Richterbund die Landesregierung bereits seit mehrerer Jahre aufmerksam;
(zu erinnern ist etwa an einen entsprechenden ?Brandbrief aus dem März vergangenen Jahres.)

Bis 2007/2008 werden allein bei der Staatsanwaltschaft in dem Rahmen der ?Operation düstere Zukunft? insgesamt 89 Stellen abgebaut, davon 19 Staatsanwaltschaftsstellen – insgesamt rund 7 % des bestehenden Personals. Hinzu kommt, dass offene Stellen grundsätzlich nicht neu besetzt werden.

Durch diesen Personalabbau der Landesregierung leiden die Staatsanwaltschaften in Hessen mittlerweile unter einer Arbeitsbelastung von 135 %, die der Amtsanwaltschaften liegt sogar bei 163 %.

Damit korrespondiert ? wie selbst der Hochglanzbroschüre des Justizministeriums ? Moderne, leistungsfähige Justizzahlen und Fakten 2004? zu entnehmen ist ? ein stetiger Anstieg an Eingangszahlen seit 1999. Bearbeiteten 1999 z. B. 358,5 Staatsanwälte (in Stellen) rund 300.000 Verfahren gegen namentlich bekannte Personen, standen 2004 für diese Aufgabe nur noch 354,81 Staatsanwälte (in Stellen), zur Verfügung, die allerdings ca. 350.000 solcher Verfahren zu bewältigen hatten!

Herr Staatsminister Banzer, den Staatsanwaltschaften in Hessen steht damit das ?Wasser bis zum Hals!?

Diese hohe Arbeitsbelastung der hessischen Staatsanwaltschaften gefährdet eine effektive Strafverfolgung!

Da hilft es auch nicht, wenn die Landesregierung sich ihre Welt immer ?schön rechnet? und ?sarkastisch? auf die vollzogene Arbeitszeitverlängerung verweist oder beabsichtigt die Eingreifreserve personell aufzustocken.

Fakt ist, dass auf dem bestehenden Arbeitslevel der Staatsanwaltschaften eine Arbeitszeitverlängerung keine zusätzlichen Kapazitäten bringen kann, da die tatsächliche Arbeitszeit bei vielen Staats- und Amtsanwälten bereits vor der Arbeitszeitverlängerung bei rund 50 ? 60 Stunden in der Woche lag.

Auch die durchgeführte Modernisierung der Justiz führte nicht, wie Landesregierung stets behauptet, zu einer Arbeitsentlastung; höchstens Arbeitserleichterung, wie die Belastungsquoten der Staats- und Amtsanwaltschaften belegen.

Hinzu kommt, dass sich die Qualität der Kriminalität in den letzten Jahren massiv verändert hat, z. B. durch neue computertechnische Entwicklungen, die auch schwierigere und umfangreichere Ermittlungen zur Folge haben, etwa Betrugsfälle über ebay, die häufiger Spezialkenntnisse durch die Staatsanwaltschaft benötigen.

Dem steht allerdings gegenüber, dass die Staatsanwaltschaft infolge von Zeitnot kaum an notwendigen Schulungen und Fortbildungen teilnehmen kann und es auch oft an den technischen Voraussetzungen für eine effektive Aufgabenwahrnehmung mangelt, denkt man z. B. an die Zugriffsmöglichkeit auf ermittlungsrelevante Datenbestände.

Darüber hinaus haben die Verwaltungsarbeiten, z. B. im Berichtswesen, dem Eintragen von Löschungs- und Weglagefristen immens zugenommen.

Zudem haben die Aufgaben der Staatsanwaltschaften insgesamt zugenommen, denkt man z. B. an die Vollstreckung, die DNA-Maßnahmen etc..

Wir als hessische Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten halten es angesichts der Sicherstellung einer effektiven Strafverfolgung und der besonderen Belastungssituation der Staatsanwaltschaften trotz der zugegebenermaßen schwierigen Haushaltslage für angezeigt, bei den Staatsanwaltschaften die entsprechenden PVS-Vermerke zu streichen, um personelle Entlastung zu schaffen und die Strafverfolgungsbehörden zu stärken.

Herr Präsident,

meine Damen und Herren,

gestatten Sie mir noch einige (wenige) Anmerkungen zum Antrag der FDP.

Sicherlich ist es stets bereits Aufgabe jeder Behördenleitung zu prüfen, inwieweit innere Arbeitsabläufe und -strukturen optimiert werden können.

Zudem gibt es bereits jetzt viele Sonderdezernate. Bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt sind von 18 Dezernaten allein 13 Spezialdezernate.

Auch das Lieblingskind der FDP ?die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraftaten? wird insgesamt nicht zu einer spürbaren Entlastung der Staatsanwaltschaften führen.

Ich fordere Sie auf, unserem Antrag zur Sicherstellung einer effektiven Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung zuzustimmen!