Antidiskriminierungsgesetz/Gleichbehandlungsgesetz im Plenum Mai 2006

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

wir können uns alle noch sehr gut daran erinnern, mit welch schweren Geschützen die CDU in diesem Haus gegen das Antidiskriminierungsgesetz der ehemaligen Bundesregierung angetreten war.

Sie sprachen von einem ?Arbeitsplatzvernichtungsgesetz?. Der jetzige Fraktionsvorsitzende der CDU im Hessischen Landtag, Dr. Wagner, fürchtete gar um den Fortbestand unseres freiheitlichen Rechts- und Wirtschaftssystems, beschrieb den ?Untergang des Abendlandes?.

Ich bin froh, dass die CDU kommunikativ abrüsten muss und nun zu mehr Sachlichkeit zurückgekehrt ist. Die Koalitionsspitze in Berlin hat einen tragfähigen Kompromiss gefunden, dem die CDU-Landesregierung trotz ihrer zurückliegenden populistischen vollmundigen Kritik jetzt zustimmen muss.

Um was geht es konkret?

Wie Sie wissen, ist Deutschland verpflichtet vier Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft umzusetzen, die den Schutz vor Diskriminierungen regeln.

Bezüglich der Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beruf und Beschäftigung hat der Europäische Gerichtshof der Bundesrepublik bereits die ?Rote Karte? gezeigt und festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre Umsetzungsverpflichtungen nicht erfüllt hat.

Nun wurde ein tragfähiger, sachgerechter Kompromiss gefunden – eine Regelung mit Augenmaß.

Die Bürgerinnen und Bürger können sich künftig besser gegen Diskriminierungen wehren.

Wir sind glücklicherweise eine tolerante, freiheitliche Gesellschaft, in der jeder möglichst nach seiner Facon leben kann. Trotzdem gibt es auch in unserer Gesellschaft Diskriminierungen, die inakzeptabel sind. Beispielweise wenn Menschen ohne Arme aus einen Lokal verwiesen werden, weil sie mit den Füssen essen. Dagegen sollen sich die Betroffenen künftig mit Hilfe des Rechts wehren können.

Selbstverständlich kann Toleranz nicht per Gesetz erzwungen werden, jedoch kann unsere Rechtsordnung deutlich machen, was gesellschaftlich missbilligt wird und damit Toleranz und Selbstbestimmung zumindest fördern.

Ich bin auch froh, dass es uns gelungen ist, die CDU davon zu überzeugen, für den Bereich der Massengeschäfte und Privatversicherungen nicht nur die europarechtlich verpflichtend vorgegeben Merkmale Rasse, ethnische Herkunft und Geschlecht in den zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz aufzunehmen, sondern auch Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität.

Denn bei solchen Geschäften, bei denen es dem Anbieter regelmäßig egal ist, mit wem er einen Vertrag schließt ? wie beispielsweise beim Kauf eines T-Shirts im Kaufhaus ? ist es besonders demütigend, wenn jemand wegen der genannten Merkmale diskriminiert wird.

Warum will, man Menschen, die eine Behinderung oder ein bestimmtes Alter haben, bestimmte Massengeschäfte versagen? Wodurch ist legitimiert, dass beispielsweise 70-jährigen, die die notwendigen Sicherheiten bieten, pauschal kein Kredit gewährt wird? – Deshalb macht es Sinn, weitere Merkmale aufzunehmen. Es besteht diesbezüglich auch ein Regelungsbedürfnis. Bisher hat die Rechtsprechung solche Fälle über die unbestimmten Generalklauseln des BGB gelöst, also ein ?Hilfskonstrukt?. Das ist jetzt nicht mehr erforderlich.

Andererseits gibt es ausreichende Ausnahmetatbestände für sogen. Nähegeschäfte und zur Verhinderung einer Ghettobildung bei der Vermietung von Wohnraum.

Die aus Wirtschaftskreisen geäußerten Sorgen, die Regelungen könnten zu Klagewellen führen, halte ich für ungegründet, wenn man die Erfahrungen aus unseren Europäischen Nachbarländern zu Grunde legt, die vergleichbare Regelungen schon länger kennen.

Im Übrigen wird etwa im Arbeitsrecht die Richtlinie 1:1 umgesetzt.
(Alle Diskriminierungsmerkmale, wie dies Art. 13 des EU-Vertrages vorsieht, werden miteinbezogen; das ist nicht Kritikwürdig.) Die Richtlinie wird systemgerecht und eng angelehnt an den bereits seit 25 Jahren bestehenden § 611a BGB umgesetzt.

In üblicher populistischer Art und Weise wird noch immer behauptet, das Gleichbehandlungsgesetz sei ein ?Bürokratiemonster?

Das ist in der Tat Unsinn!

So sieht das Gesetz lediglich eine Dokumentationspflicht für Arbeitgeber von 3 Monaten vor; das EG-Recht sieht 36 Monate vor!

Herr Präsident,
Meine Damen und Herren,

das Gleichbehandlungsgesetz ermutigt Benachteiligte, sich zu wehren und ist ein wichtiger und richtiger Schritt zu einer toleranten Gesellschaft, in der Einzelne, wie Art. 1 des Grundgesetzes es gebietet, bedingungslos geachtet und respektiert wird.