Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
Anknüpfungspunkt für unseren neuerlichen Antrag zum Thema Verlagerung der Grundbuchsachen von den Grundbuchgerichten zu den Bodenmanagementbehörden ist eine erneute diesbezügliche (!) Initiative der Landesregierung im Bundesrat.
Diese Initiative zeigt erneut, wie beratungsresistent diese Landesregierung ist!
Herr Banzer, wie Sie mittlerweile auch wissen müssten, steht die Fachwelt, ob Rechtspfleger, Notare, Grundbuchrichter, Rechtsanwälte, in großer Einmütigkeit ablehnend entgegen!
Ihr Vorstoß ist aus folgenden Gründen, die ich kurz benennen möchte, völlig sachwidrig:
1. Die behaupteten Synergieeffekte sind nicht ersichtlich. Die Aufgaben des Grundbuchamtes gleichen denen des Katasteramtes zwar bezüglich des Gegenstands – hier wie dort geht es um Grundstücke. Im Übrigen haben die Aufgaben beider Einrichtungen aber nichts gemein. Denn während das Kataster- und Liegenschaftswesen die Basis für die Erfassung von Vermessungsdaten ist und damit rein technische Aufgaben mit sich bringt, geht es bei der Führung der Grundbücher um rein rechtliche Vorgänge.
a) Das Grundbuch enthält im Wesentlichen Angaben über den tatsächlichen Bestand des Grundstücks, wie Lage, Nutzungsart, Größe, Besitzverhältnisse, Grundpfandrechte und sonstige das Grundstück betreffende Aufmerkungen, die im Rechts- und Wirtschaftsverkehr von elementarer Bedeutung sind.
b) Das Liegenschaftskataster enthält demgegenüber im Wesentlichen Karten und Angaben über Gemarkungslage, Bodenbeschaffenheit und sonstige Merkmale, z. B. Denkmalschutz der vermessenen Liegenschaften.
Die Aufgaben überschneiden sich also nicht.
2. Die Verlagerung der Grundbuchgerichte aus dem Bereich der Justiz würde für das deutsche Grundbuch eine Abwertung und einen erheblichen Qualitätsverlust bedeuten.
Die Ansiedlung der Grundbuchgerichte bei den Gerichten als Teil der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat sich bewährt. Das Grundbuch in seiner derzeitigen Ausgestaltung bietet eine verlässliche Grundlage für den Immobilienrechtsverkehr in Deutschland und wird auch international gelobt und als vorbildlich angesehen. Die Zuverlässigkeit des Grundbuchs hängt dabei unmittelbar mit der Aufgabenwahrnehmung durch das Gericht ? in der Person des Rechtspflegers ? zusammen. Denn nur auf diese Weise kann organisationsrechtlich sichergestellt werden, dass das Grundbuch von unabhängigen Organen der Rechtspflege geführt wird, die nur an Gesetz und Recht gebunden sind (§ 9 des Rechtspflegergesetzes (RPflG). Durch die fundierten Kenntnisse des Rechtspflegers im Bereich des Sachenrechts und in anderen für das Grundbuch relevanten Rechtsgebieten ? etwa dem Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Familien- und Erbrecht oder im Recht der Zwangsversteigerung ? können Fehlentscheidungen vermieden werden, die mit irreversiblen Rechtswirkungen verbunden sein können.
3. Von entscheidender bundespolitischer Bedeutung ist schließlich, dass mit einer solchen Öffnungsklausel die Einheitlichkeit des Grundbuchwesens in Deutschland aufgegeben werden würde. Damit konterkariert der Vorschlag Hessens das selbst gesetzte Ziel eines besseren Dienstleistungsangebots gegenüber dem Bürger und dem Investor.
4. Zweifellos ist es erstrebenswert, den Austausch von Daten des elektronischen Liegenschaftskatasters und solchen des elektronischen Grundbuchs zu verbessern; auch ein einheitliches Eingangsportal im Internet mag für die Benutzerfreundlichkeit vorteilhaft sein. Dieses Ziel kann jedoch weder durch eine Zusammenlegung erreicht werden, noch durch eine Standortverlagerung des Grundbuchs. Stattdessen ist eine entsprechende Weiterentwicklung der verwendeten Software und eine Koordinierung bei den Onlinediensten erforderlich, die bereits in der Umsetzung ist!
5. Eine räumliche Ausgliederung des Grundbuchamtes aus dem Amtsgericht würde wichtige Schnittstellen innerhalb der amtsgerichtlichen Verfahren stören. Die zu dem Grundbuch gehörenden Grundakten, aus denen sich die Bedeutung vieler Eintragungen erst voll und ganz erschließt, werden für einen reibungslosen Geschäftsablauf innerhalb des Amtsgerichts in Nachlass-, Insolvenz- und Zwangsversteigerungssachen benötigt. Für das Katasteramt sind sie jedoch irrelevant. Auch greift das Grundbuchamt auf andere Akten des Amtsgerichts, etwa der Nachlass- oder Betreuungsabteilung, zurück. Dieser Austausch ist intensiver als die Kommunikation mit den Katasterämtern. Während der Datenaustausch mit den Katasterämtern in absehbarer Zeit ohne weiteres flächendeckend elektronisch abgewickelt werden kann, werden die Grundakten noch über einen längeren Zeitraum in Papierform geführt werden.
Herr Banzer, Sie haben bei der Amtseinführung des neuen Amtsgerichtspräsidenten in Offenbach Dr. Schreiber sinngemäß angekündigt, dass Sie als neuer Justizminister im Hinblick auf die bisherige Justizpolitik der Landesregierung keine Brüche vollziehen werden, aber sich als ?Neuer? vorzubehalten ?genauer hinzusehen? und ?eigene? Bewertungen vorzunehmen!
Sie, Herr Banzer, sollten als neuer Justizminister die Chance ergreifen, um in dieser Frage einen Richtungswechsel vorzunehmen und von den bisherigen Plänen der Landesregierung Abstand zu nehmen!
Zu dem hat ihr Amtsvorgänger Dr. Wagner in dieser Frage bereits viel Porzellan zerschlagen!
Hatte Dr. Wagner auf dem hessischen Rechtspflegertag 2005 angekündigt, die Grundbuchsachen bleiben bei den Amtsgerichten, hat das Kabinett wenig später einen gegenteiligen Beschluss gefasst und beschlossen, ein entsprechendes Pilotprojekt in Fulda umzusetzen!
Dieses Vorgehen ist ein klarer Vertrauensbruch und wird Ihnen (dementsprechend) hoffentlich noch "auf die Füße fallen"!